Am Beispiel Italien wird aufgezeigt, wie die Rechte von besonders verletzlichen Personen im Dublin Verfahren oft missachtet, meist ungenügend umgesetzt und ihre Bedürfnisse hinter eine restriktive Migrationspolitik zurückgestellt werden.
Der ganze Schengen-Raum steht in der Verantwortung, auch die Schweiz! Es sind nicht Gier und Abenteuerlust, welche die Menschen in die Flucht treiben, sondern Bedrohungen, Armut, Hunger und Hoffnungslosigkeit. Viele sind Opfer jahrelanger Kriege, beispielloser Ausbeutung, namentlich auch durch die Länder des Nordens und korrupter, gewalttätiger Regierungen. Sie brauchen Hilfe, Schutz, Betreuung und zu aller erst ein Asylverfahren, das sich an den Bedürfnissen der Schwächsten orientiert.
Mit der grossen Zahl der Flüchtlinge in diesem Jahr haben sich seit jeher fragwürdige Instrumente wie das Dublin-System als vollends unbrauchbar und unwürdig erwiesen. Aber was tun wir? Die Schweiz und Europa entsolidarisieren sich und schicken die Flüchtlinge weiterhin nach Italien zurück. Die EU und die Schweiz müssen aufhören, die Flüchtlinge von einem Land zum andern abzuschieben, bevor die Lastenverteilung, das burden-sharing, nicht besser geregelt und gerechter angegangen wird.
In dubio pro refugio
Solidarität bedeutet nicht unseren Ruin, fremde Sprachen und Menschen nicht den Untergang unserer Kultur. Demokratie und Menschenrechte zu fordern reicht nicht aus, sie müssen wirksam umgesetzt werden. Mit diesem Bericht fordern wir zum Handeln auf.
«Mariama» lebte seit ihrer Geburt mit ihrer Familie bei einem Mauren. Ihre Eltern kamen als Sklaven zu diesem Mann und so wurde sie in diese Verhältnisse hineingeboren. Mit neun Jahren wurde sie erstmals vergewaltigt und im Alter von 13 Jahren mit einem älteren Mann zwangsverheiratet, der sie misshandelte und sie nach drei Jahren mit ihren beiden Kindern alleine liess. 2012 konnte sie fliehen und mit Hilfe eines Schleppers gelangte sie nach Italien und von da in die Schweiz. 2014 stellte sie ein Asylgesuch und wurde sogleich einige Tage von der Polizei festgehalten, bevor sie in ein Empfangszentrum gebracht wurde. Dort wurde eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwere Depression mit latenter Suizidalität diagnostiziert. Trotzdem bekam sie einen Nichteintretensentscheid und wurde aufgefordert nach Italien zurück zu kehren.
Solche Beispiele zeigen, dass die migrationspolitischen Interessen der Schweiz oft höher gewichtet werden, als die Interessen der Asylsuchenden. Eine vertiefte Diskussion über die Anwendung des Dublin Verfahrens ist im Interesse der Betroffenen zwingend, dazu trägt dieser Fachbericht bei.