Nachdem bereits diverse Medien über Gewalt gegen Asylsuchende in Bundesasylzentren berichtet hatten (siehe Stellungnahme der SBAA und Plattform ZiAB «Gewalt in Bundesasylzentren», 06.05.2021), veröffentlichte Amnesty International heute einen alarmierenden Bericht über weitere Gewaltvorfälle. Die beschriebene Gewalt, die von Mitarbeitenden der Sicherheitsfirmen Securitas AG und Protectas AG ausgeht, ist besorgniserregend.
Amnesty International hat zwischen Januar 2020 und April diesen Jahres 32 Interviews mit gewaltbetroffenen Asylsuchenden sowie mit ehemaligen und aktiven Mitarbeitenden der Bundesasylzentren geführt. Daraus resultierten Schilderungen von Misshandlungen durch Schläge und Fusstritte sowie von aktiver Provokation und rassistischer Haltung von Sicherheitsangestellten. Amnesty International berichtet, wie mindestens sechs Personen Verletzungen erlitten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten und wie eine Person bei Minustemperaturen ausserhalb des Zentrums Boudry in einem Metallcontainer eingeschlossen wurde, was zu einer Unterkühlung führte. Die Menschenrechtsorganisation zeigt sich alarmiert über die oft ungerechtfertigte Nutzung der sogenannten «Besinnungsräume», also abschliessbare Räume, in denen Asylsuchende vorübergehend festgehalten werden.
Der Bericht von Amnesty International zeigt klar, dass es sich bei den Gewaltvorfällen in den Bundesasylzentren nicht um einzelne «Übeltäter*innen» handelt. Viel eher werden systemische Mängel sichtbar, gegen welche das Staatssekretariat für Migration (SEM) Massnahmen ergreifen muss. So ist es dringend notwendig, den Rekrutierungsprozess sowie die Ausbildung der Sicherheitskräfte zu verbessern.
Die SBAA begrüsst grundsätzlich, dass das SEM eine externe Untersuchung über konkrete Gewaltvorfälle angeordnet hat. Dies reicht jedoch nicht aus. Vielmehr braucht es ein systematisches Monitoring aller Gewaltvorfälle, um allfällige systemische Mängel erkennbar zu machen. Die SBAA schliesst sich der entsprechenden Forderung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) an. Weiter unterstützt die SBAA die Forderung der SFH nach der sofortigen Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für alle Gewaltbetroffenen, und fordert, den Fokus auf Prävention zu legen, um Verstösse gegen Grund- und Menschenrechte in den Bundesasylzentren zu vermeiden.
Amnesty International, «Ich verlange nur, dass sie Asylsuchende wie Menschen behandeln». Menschenrechtsverletzungen in Schweizer Bundesasylzentren, 19.05.2021
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Gewaltvorfälle: Behörden müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, 19.05.2021
Staatssekretariat für Migration, Stellungnahme, 19.05.2021
Radio SRF 3, Info 3 (ab Min. 5:41), 19.05.2021