Die Kli­ma­mi­gra­ti­on – Defi­ni­ti­on, Ursa­chen und Rechtsschutz

Die­sen Herbst setzt sich die SBAA mit der Kli­ma­mi­gra­ti­on aus­ein­an­der und ver­öf­fent­licht dazu einen aus­führ­li­chen Bericht sowie einen «Fokus»

Die nächs­te Aus­ga­be des «Fokus» der SBAA setzt sich mit der Kli­ma­mi­gra­ti­on aus­ein­an­der. In die­sem Kon­text ver­öf­fent­licht die SBAA den Bericht «Die Kli­ma­mi­gra­ti­on – Defi­ni­ti­on, Ursa­chen, Rechts­schutz». Die Arbeit unter­sucht die Defi­ni­ti­on und Ursa­chen der Kli­ma­mi­gra­ti­on sowie den mög­li­chen – respek­ti­ve nöti­gen – Rechts­schutz von Klimaflüchtlingen.

Nur weni­ge Kli­ma-Asyl­ge­su­che weltweit

Mit fort­schrei­ten­der Kli­ma­er­wär­mung ver­än­dern sich die Lebens­be­din­gun­gen auf der Erde. Ins­be­son­de­re im glo­ba­len Süden sind die erhöh­ten Tem­pe­ra­tu­ren sowie wei­te­re Fol­gen davon – etwa Über­schwem­mun­gen von Insel­staa­ten – deut­lich spür­bar. Die Migra­ti­on von Per­so­nen, die von kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen betrof­fen sind, nimmt in Zukunft mit gros­ser Wahr­schein­lich­keit immer mehr zu. Bis anhin sind die meis­ten Kli­ma­flücht­lin­ge Bin­nen­ver­trie­be­ne, die inner­halb ihres Hei­mat­lan­des migrie­ren. So sind bis­her nur weni­ge Gerichts­fäl­le bekannt, bei denen über Kli­ma-Asyl­ge­su­che ent­schie­den wur­de. Ein­zig in Neu­see­land kam es zu zwei Asyl­ge­su­chen von Per­so­nen aus Insel­staa­ten, die in der nahen Zukunft voll­stän­dig zu über­schwem­men drohen.

Kli­ma-Asyl­ge­su­che im Schwei­ze­ri­schen Recht

In der Schweiz gab es bis jetzt kei­ne Asyl­ge­su­che auf­grund kli­ma­ti­scher Ver­än­de­run­gen. Dies könn­te sich jedoch bald ändern. Frag­lich ist, wie das schwei­ze­ri­sche Asyl­sys­tem in sol­chen Fäl­len auf Asyl­ge­su­che reagie­ren kann. Aus recht­li­cher Per­spek­ti­ve ist dies beson­ders schwie­rig, weil Kli­ma­flücht­lin­ge nicht unter die Defi­ni­ti­on von Flücht­lin­gen gemäss der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) fal­len. Dazu müss­ten die asyl­su­chen­den Per­so­nen indi­vi­du­ell und auf­grund eines per­sön­li­chen Merk­ma­les von ihrem Hei­mat­staat ver­folgt oder vom Hei­mat­staat nicht genü­gend von einer Ver­fol­gung geschützt wer­den (Art. 1 GFK). Da es sich somit bei Kli­ma­flücht­lin­gen gemäss der aktu­el­len Rechts­de­fi­ni­ti­on nicht um Flücht­lin­ge han­delt, ist der Begriff des Kli­ma­flücht­lings per se umstrit­ten. Im schwei­ze­ri­schen Recht kann alter­na­tiv zum Flücht­lings­sta­tus die soge­nann­te vor­läu­fi­gen Auf­nah­me ver­fügt wer­den. Wenn eine Per­son zwar nicht als Flücht­ling aner­kannt ist, es jedoch nicht zumut­bar (z.B. bei huma­ni­tä­ren Kri­sen oder Krieg) oder nicht zuläs­sig ist (wenn inter­na­tio­na­les Recht dage­gen­spricht), die Per­son in den Her­kunfts­staat zurück­zu­schi­cken, fin­det die vor­läu­fi­ge Auf­nah­me Anwen­dung (Art. 83 Aus­län­der- und Inte­gra­ti­ons­ge­setz, AIG). Daher wür­den Kli­ma­flücht­lin­ge in der Schweiz momen­tan wohl eine vor­läu­fi­ge Auf­nah­me erhalten.

Unter­schied­li­che Grün­de für die Klimamigration

Die Kli­ma­flucht birgt wei­te­re Schwie­rig­kei­ten. Oft ist die Flucht nicht mono­kau­sal, son­dern hat unter­schied­li­che Grün­de. So kann es etwa sein, dass eine Per­son einer­seits auf­grund der kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen und zugleich auf­grund von poli­ti­schen Unru­hen flieht. Letz­te­res kann wie­der­um eine Fol­ge der Kli­ma­ver­än­de­rung und der schlech­te­ren loka­len Lebens­be­din­gun­gen sein. Die Kli­ma­ver­än­de­run­gen kön­nen aus­ser­dem schnell und akut oder aber lang­sam fort­schrei­tend gesche­hen. Je nach­dem wird die Flucht als unfrei­wil­lig (bei schnel­len Ver­än­de­run­gen) oder als frei­wil­lig (bei lang­sa­men Ver­än­de­run­gen) defi­niert. Die Flucht kann zudem nur vor­über­ge­hend oder per­ma­nent erfol­gen. Zudem muss unter­schie­den wer­den zwi­schen Kli­ma­flücht­lin­gen, die inner­halb ihres Her­kunfts­lan­des (Bin­nen­flucht) oder aus­ser­halb der Lan­des­gren­zen flie­hen. Je nach­dem wel­cher Unter­ka­te­go­rie ein Kli­ma­flücht­ling zuzu­ord­nen ist, kann ein ande­rer Rechts­schutz bean­tragt werden.

Fra­gen der Klimagerechtigkeit 

Schluss­end­lich tan­giert die Kli­ma­mi­gra­ti­on auch Fra­gen zur Kli­ma­ge­rech­tig­keit. Wie möch­te die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft auf die Pro­ble­ma­tik reagie­ren, dass der Kli­ma­wan­del von eini­gen Staa­ten beson­ders stark ver­ur­sacht wur­de, die Las­ten aber von ande­ren Län­dern viel stär­ker getra­gen wer­den? Die Indus­trie­staa­ten (sowie eini­ge Schwel­len­län­der) tra­gen oft beson­ders viel zum Kli­ma­wan­del bei und sind häu­fig weni­ger stark betrof­fen. Dies auf­grund der geo­gra­phi­schen Lage oder auf­grund der bes­se­ren Res­sour­cen für den Schutz vor den kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen. Wer die Kli­ma­er­wär­mung ver­ur­sacht, soll­te schluss­end­lich auch eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung für die Kli­ma­mi­gra­ti­on und den Schutz der Kli­ma­flücht­lin­ge tra­gen. Im Sin­ne der Kli­ma­ge­rech­tig­keit gibt es Vor­schlä­ge für das Kon­zept eines „Kli­ma­pas­ses“. Der Kli­ma­pass ist ein bila­te­ra­les Abkom­men zwi­schen beson­ders stark und weni­ger stark betrof­fe­nen Staa­ten, womit Per­so­nen aus der ers­ten Grup­pe eine Auf­ent­halts­be­wil­li­gung in den weni­ger stark betrof­fe­nen Staa­ten erhalten.

Mög­li­cher Rechtsschutz

Abschlies­send fasst die Arbeit die fol­gen­den fünf Mög­lich­kei­ten für den (Rechts-)Schutz von Kli­ma­flücht­lin­gen zusammen:

  1. Das Asyl für Flücht­lin­ge (wenn eine indi­vi­du­el­le Ver­fol­gung vorliegt)
  2. Die vor­läu­fi­ge Auf­nah­me (bei aku­ter Gefahr ohne indi­vi­du­el­le Verfolgung)
  3. Die kli­ma­spe­zi­fi­sche Ent­wick­lungs­hil­fe / inter­na­tio­na­ler Schutz von Bin­nen­ge­flüch­te­ten (bei intern Vertriebenen)
  4. Der Kli­ma­pass (bei lang­sa­men fort­schrei­ten­den aber vor­her­seh­ba­ren nega­ti­ven Klimaveränderungen)
  5. Die Kli­ma-Card (bei einer vor­über­ge­hen­den Migration)

Der Bericht «Die Kli­ma­mi­gra­ti­on – Defi­ni­ti­on, Ursa­chen, Rechts­schutz» von Vera Huter ist hier zum Down­load bereit.