Im vergangenen Jahr startete die SBAA das Projekt «Falldokumentationen zu Rückstufungen und Widerrufen wegen Sozialhilfebezugs». Mit den dokumentierten Fällen wurde die Arbeit der Allianz «Armut ist kein Verbrechen» unterstützt, indem sie Grundlagen für die politische Diskussion zur gleichnamigen parlamentarischen Initiative lieferten. Es entstanden zahlreiche, erschütternde Beispiele, welche die Problematik der heutigen Rechtslage deutlich aufzeigen. Die dokumentierten Fälle wurden auch medial aufgegriffen (Tagesanzeiger vom 20.2.2023). Im Januar 2023 wurde das Projekt abgeschlossen.
Die Verhältnismässigkeitsprüfung der Behörden vor einem Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung oder einer Rückstufung ist häufig mangelhaft. Dem Umstand, dass der Bezug von Sozialhilfe unverschuldet erfolgt, wird zu wenig Beachtung geschenkt. Dies zeigen von uns dokumentierte Fälle wie derjenige von «Bhajan» oder «Mohan». Auch wenn sich die Betroffenen oft erfolgreich gerichtlich zur Wehr setzten, bleibt das Grundproblem bestehen. Nicht alle können sich juristische Unterstützung leisten und aus Angst vor einem Verlust des Aufenthaltsstatus verzichten zahlreiche Personen von vornherein auf den Bezug von Sozialhilfe, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Die Praxis der Migrationsbehörden setzt von Armut betroffene Ausländer:innen unter immensen Druck – bei einer Anwesenheit von über zehn Jahren in der Schweiz ist das unhaltbar.
Umso enttäuschender und nicht nachvollziehbar ist das knappe Nein der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK‑S) zur parlamentarischen Initiative mit 7 zu 6 Stimmen (Medienmitteilung SPK‑S). Entgegen der Auffassung der SPK‑S besteht dringender Handlungsbedarf, um die Situation für armutsbetroffene Ausländer:innen zu verbessern. Der Nationalrat hat dies erkannt und die parlamentarische Initiative im Herbst 2022 angenommen. Nun ist es am Ständerat, endgültig darüber zu entscheiden und das Nein seiner vorberatenden Kommission zu korrigieren.