Femi­nist Asyl­um: Peti­ti­on lanciert

Die euro­päi­sche femi­nis­ti­sche Peti­ti­on for­dert eine kon­se­quen­te Aner­ken­nung der beson­de­ren Asyl­grün­de für Frau­en, Mäd­chen und LGBTIQA+ Personen. 

Vie­le Frau­en, Mäd­chen und LGBTIQA+-Personen flüch­ten, weil sie im Her­kunfts­land Gewalt erlebt haben. Auch auf der Flucht erlei­den vie­le Gewalt, sexu­el­len Miss­brauch oder Aus­beu­tung. Über­le­ben sie all die­se Stra­pa­zen und kom­men sie in der Schweiz an, stos­sen sie auch hier auf Hür­den, unter ande­rem im Asylverfahren.

For­de­run­gen der Petition

Die euro­päi­sche femi­nis­ti­sche Peti­ti­on wur­de am 11. Novem­ber in Genf und in wei­te­ren euro­päi­schen Staa­ten lan­ciert. Die SBAA hat an der Medi­en­kon­fe­renz teil­ge­nom­men und unter­stützt die Peti­ti­on. Sie kann unter­schrie­ben wer­den unter: www.feministasylum.org. Die Peti­ti­on fordert:

1) Das Recht auf inter­na­tio­na­len Schutz durch die kon­se­quen­te Aner­ken­nung spe­zi­fi­scher Asyl­grün­de für Frau­en, Mäd­chen und LGBTIQA+ Per­so­nen zu gewährleisten.

2) Eine euro­päi­sche Über­wa­chungs­stel­le, die die kon­se­quen­te Umset­zung der Arti­kel 60 und 61 der Istan­bul-Kon­ven­ti­on und der Arti­kel 10 bis 16 der Kon­ven­ti­on zur Bekämp­fung des Men­schen­han­dels gewähr­leis­tet, einzurichten.

3) Den Zugang zu Asyl in EU-Mit­glieds­län­dern für Frau­en, Mäd­chen und LGBTIQA+ Per­so­nen zu gewährleisten.

Frau­en­spe­zi­fi­sche Flucht­grün­de in der Schweiz

Den frau­en­spe­zi­fi­schen Flucht­grün­den muss gemäss dem schwei­ze­ri­schen Asyl­ge­setz Rech­nung getra­gen wer­den. Das Staats­se­kre­ta­ri­at für Migra­ti­on (SEM) aner­kennt heu­te gemäss sei­nem «Hand­buch Asyl und Rück­kehr» 7 «bestimm­te sozia­le Grup­pen», die in Ver­bin­dung mit dem Geschlecht asyl­re­le­vant sind:

  • Opfer weib­li­cher Genitalverstümmelungen
  • Opfer häus­li­cher Gewalt
  • Opfer von Zwangsheirat
  • Opfer dis­kri­mi­nie­ren­der Gesetzgebung
  • Opfer einer Ein-Kind-Poli­ti­k/ Zwangsabtreibung/ Zwangssterilisation
  • Opfer von Ehrenmord
  • Opfer auf­grund der sexu­el­len Orientierung/ Geschlechtsidentität

Trotz der Aner­ken­nung die­ser 7 sozia­len Grup­pen erhal­ten Betrof­fe­ne von geschlechts­spe­zi­fi­scher Ver­fol­gung oft kein Asyl (sie­he Fach­be­richt der SBAA «Frau­en – Flucht – Asyl», 2016). Dies kann ver­schie­de­ne Grün­de haben, z.B.:

  • Die Prü­fung der Glaub­haf­tig­keit wird zu streng beur­teilt. Die Betrof­fe­nen müs­sen im Asyl­ver­fah­ren glaub­haft machen, dass sie die Ver­fol­gung erlit­ten haben. Aus Sicht der SBAA müss­te der Grund­satz «im Zwei­fel für die asyl­su­chen­de Per­son» gel­ten (sie­he Fach­be­richt der SBAA «Glaub­haf­tig­keit im Asyl­ver­fah­ren», 2019).
  • Trau­ma­ta kön­nen einen Ein­fluss auf die Aus­sa­ge­qua­li­tät haben. In der Pra­xis wird dies oft zu wenig berück­sich­tigt. Trau­ma­fol­ge­stö­run­gen soll­ten aner­kannt und berück­sich­tigt werden.
  • Mit­ar­bei­ten­de des SEM wer­den teil­wei­se zu wenig für geschlechts­spe­zi­fi­sche Ver­fol­gung geschult. Es ist not­wen­dig, dass sie aus­führ­lich geschult und sen­si­bi­li­siert werden.
  • Asyl­ge­su­che, bei denen es um Ehren­mor­de, häus­li­che Gewalt oder Zwangs­hei­rat geht, wer­den oft mit der Begrün­dung abge­lehnt, dass das Her­kunfts­land «sicher» ist und den Betrof­fe­nen ange­mes­se­nen Schutz bie­tet. Der Schutz­wil­le und die Schutz­fä­hig­keit des Her­kunfts­lands müss­ten sorg­fäl­tig geprüft werden.
  • Wer in einem Dub­lin-Staat Gewalt erlebt hat, wird meist rück­über­stellt. Dies ist pro­ble­ma­tisch, da Betrof­fe­ne dort ris­kie­ren, erneut Opfer von Gewalt zu wer­den. Die SBAA for­dert, dass in sol­chen Fäl­len die Sou­ve­rä­ni­täts­klau­sel ange­wen­det wird.
  • Das Kin­des­wohl wird oft zu wenig berück­sich­tigt. Gemäss der Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on muss das Kinds­wohl in allen Ent­schei­den, wel­che das Kind betref­fen, vor­ran­gig berück­sich­tigt wer­den (sie­he Fach­be­richt der SBAA «Ver­nach­läs­sig­tes Kin­des­wohl», 2020).

Hand­lungs­be­darf besteht nicht nur im Asyl­ver­fah­ren der Schweiz. Auch auf euro­päi­scher Ebe­ne sind Anstren­gun­gen not­wen­dig, um den Schutz von geflüch­te­ten Frau­en und Mäd­chen sicher­zu­stel­len. Zudem braucht es deut­lich mehr siche­re und lega­le Flucht­we­ge, ins­be­son­de­re soll das Bot­schafts­asyl wie­der ein­ge­führt wer­den (sie­he Fach­be­richt der SBAA «Huma­ni­tä­res Visum – Siche­rer Flucht­weg oder Hür­den­lauf?», 2019).