Fälsch­li­che Aberken­nung der Flüchtlingseigenschaft

Fall 336: Nach einer Rei­se nach Äthio­pi­en aberkann­te das SEM «Aya­na» die Flücht­lings­ei­gen­schaft. Der Ent­scheid wur­de vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aufgehoben. 

«Aya­na» reis­te  mit­tels Fami­li­en­nach­zug in die Schweiz und wur­de in die Flücht­lings­ei­gen­schaft ihres Ehe­man­nes ein­be­zo­gen. Meh­re­re Jah­re spä­ter aberkann­te das Staats­se­kre­ta­ri­at für Migra­ti­on (SEM) «Aya­na» die Flücht­lings­ei­gen­schaft, da sie mit ihrem Ehe­mann und ihren zwei Kin­dern für einen Fami­li­en­be­such nach Äthio­pi­en gereist war. Das SEM argu­men­tier­te, dass «Aya­na» frei­wil­lig in ihren Hei­mat­staat gereist sei und sich so bewusst unter des­sen Schutz gestellt habe. «Aya­na» erhob gegen den Ent­scheid Beschwer­de beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVGer).

«Aya­nas» Ehe­mann ist eri­tre­ischer Staats­an­ge­hö­ri­ger. In der Beschwer­de hielt sie u.a. fest, dass das SEM im dama­li­gen Ent­scheid über den Ein­be­zug von «Aya­na» in die Flücht­lings­ei­gen­schaft ihres Ehe­man­nes davon aus­ge­gan­gen sei, dass sie als Ehe­frau eines eri­tre­ischen Staats­an­ge­hö­ri­gen bei einer Rei­se nach Eri­trea gefähr­det wäre. Eine Gefähr­dung in Äthio­pi­en sei vom SEM aber nicht erwähnt wor­den. Zudem argu­men­tier­te «Aya­nas» Rechts­ver­tre­tung, dass der Ver­fol­ger­staat auf­grund der Staats­an­ge­hö­rig­keit des Ehe­man­nes Eri­trea sei. Da «Aya­na» jedoch Äthio­pie­rin ist, sei­en der Her­kunfts- und Ver­fol­ger­staat unterschiedlich.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVGer) hiess «Aya­nas» Beschwer­de gut und wies auf einen ähn­lich gela­ger­ten Fall (E‑4858/2014) aus dem Jahr 2016 hin. Das BVGer zeig­te u.a. auf, dass die Argu­men­ta­ti­on des SEM, dass «Aya­na» sich durch ihre Rei­se nach Äthio­pi­en unter den Schutz ihres Hei­mat­lan­des gestellt habe, nicht sach­ge­recht ist. Denn «Aya­na» bezie­he sich auf die Asyl­grün­de ihres Ehe­man­nes und habe kei­ne eige­ne Ver­fol­gung durch die äthio­pi­schen Behör­den gel­tend gemacht. Der Hei­mat­staat ent­spre­che in die­sem Fall nicht dem Ver­fol­ger­staat, wes­halb die Aberken­nung von «Aya­nas»  Flücht­lings­ei­gen­schaft unzu­läs­sig ist.

Aus Sicht der SBAA ist es scho­ckie­rend, dass das SEM sich bei der Prü­fung der Flücht­lings­ei­gen­schaft auf den Hei­mat- und nicht auf den Ver­fol­ger­staat bezog. Die Aberken­nung der Flücht­lings­ei­gen­schaft auf­grund einer Rei­se in den Hei­mat­staat, wel­cher nicht der Ver­fol­ger­staat ist, scheint das Grund­prin­zip der Flücht­lings­ei­gen­schaft zu gefähr­den. Die Flücht­lings­kon­ven­ti­on bezieht sich in Art. 1 Bst. C näm­lich auf den Hei­mat­staat, der aber gleich­zei­tig als Ver­fol­ger­staat auf­tritt und aus die­sem Grund kei­nen Schutz gewäh­ren kann oder will. Zudem han­delt es sich durch die Aberken­nung der Flücht­lings­ei­gen­schaft von « Aya­na » um eine Ungleich­be­hand­lung der betrof­fe­nen Fami­lie, die die Ein­heit der Fami­lie gefährdet.

Die aus­führ­li­che Fall­do­ku­men­ta­ti­on fin­den Sie hier.