Erstmals zeichnen Recherchen im Detail nach, was schon lange bekannt war. Die Verhältnisse in den grossen Kollektivunterkünften des Bundes schüren Konflikte, welche leider zu oft verbale und physische Gewalt zur Folge haben. In den geschilderten Fällen führen ungleiche Machtverhältnisse dazu, dass Asylsuchende unrechtmässig eingeschlossen werden, ohne dass die Polizei avisiert wird, oder sie gar geschlagen werden. Erstmals wurde durch eine Audiodatei belegt, wie offizielle Berichte zu solchen Vorfällen durch das Sicherheitspersonal mutmasslich geschönt werden.
Nun hat das Staatssekretariat für Migration SEM auf die Vorwürfe reagiert, verschiedene Personen suspendiert und eine externe Untersuchung angeordnet. Laut einer Ankündigung des SEM an die Adresse verschiedener Organisationen, werden zudem bis Ende Juni 2021 in allen Asylregionen die Massnahmen eines neu erarbeiteten Gewaltpräventionskonzeptes implementiert. Dabei geht es unter anderem um die Einführung eines externes Beschwerdemanagements und um die Erarbeitung eines umfassenden Schulungs- und Sensibilisierungskonzeptes für die Mitarbeitenden in Bundesasylzentren.
Diese Schritte sind zu begrüssen, auch wenn sie zu spät kommen und zu kurz greifen. Denn, sie lassen insbesondere eine strukturelle Problematik ausser Acht: die Personen, die im Verdacht stehen unrechtmässig gehandelt zu haben, arbeiten für private Auftragnehmer des SEM. Eine eingehende Überprüfung der Risiken dieser Auslagerung an externe Dienstleister zu möglichst günstigen Preisen sollte in der laufenden Untersuchung und Aufarbeitung einbezogen werden, vor allem auch von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates.
Die SBAA und die ZiAB schliessen sich den Forderungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe an. Der Fokus muss auf Prävention gerichtet und eine unabhängige Beschwerdestelle geschaffen werden. Nur so können Gewaltkonflikte und Verstösse gegen die Grund- und Menschenrechte möglichst vermieden und die problematischen Vorfälle effektiv dokumentiert und geahndet werden.
Mit Bezug auf die Berichterstattung zu Drohungen gegen Menschen, die im Asylbereich arbeiten, stellen die SBAA und die ZiAB klar, dass sie jede Form von Gewalt verurteilen und ablehnen. Für solche Handlungen gibt es keinerlei Rechtfertigung. Zusätzliche Transparenz und Offenheit seitens der Behörden sind aber elementar, um das Vertrauen zu schaffen, dass bei Missständen auf institutionellem Weg Gehör gefunden wird.
Die aktuelle Situation belegt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass die Zivilgesellschaft, NGOs und Medienschaffende im Asylbereich aktiv hinschauen und bei mutmasslichen Verstössen hartnäckig Abklärungen verlangen. Es bleibt zu hoffen, dass durch die aktuellen Debatten neben den Mitarbeitenden in Bundesasylzentren auch Politiker*innen für die Gewaltproblematik sensibilisiert und langfristige Verbesserungen angestossen werden.
SRF Rundschau, Gewaltzone Asylheim, 5. Mai 2021
RTS 19h30, Bavures et rapports trafiqués: la sécurité dérape dans les centres fédéraux d’asile, 5. Mai 2021
WOZ, Rapporte der Gewalt, 6. Mai 2021