Der Fachbericht „Kinderrechte und die Anwendung der Migrationsgesetzgebung in der Schweiz“ der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht zeigt anhand von 16 dokumentierten Fällen, dass die Kinderrechte bei der Anwendung des Migrationsrechts nur ungenügend umgesetzt werden. Er zeigt auf, wo die Kinder in ihren Rechten verletzt oder wo ihre grundrechtlich geschützten Bedürfnisse hinter die restriktive Einwanderungspolitik zurückgestellt werden. Das ist bedenklich, denn die derzeitige Praxis erschwert es Kindern am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich in einem würdigen und förderlichen Umfeld zu entwickeln.
1997 trat die UNO-Kinderrechtskonvention nach diversen Vorbehalten und zähem Ringen im Parlament in der Schweiz in Kraft. Die Schweiz ist gemäss der Kinderrechtskonvention unter anderem verpflichtet, ein Kind anzuhören, seine Meinung angemessen und seinem Alter und seiner Reife entsprechend zu berücksichtigen. Das Kindeswohl muss bei behördlichen Entscheiden eine wichtige Rolle spielen. Die Kinderrechtskonvention schützt die Rechte der Kinder. Sie ist somit ein verpflichtendes politisches Instrument, wenn es um behördliche Entscheide geht, die Kinder und ihre Familien betreffen.
Regelmässiger Kontakt zu beiden Elternteilen „Flucht ist für Kinder immer mit Angst und Verlust verbunden. Ihr Leidensweg ist aber auch nach der Flucht nicht zu Ende – denn die migrationspolitischen Interessen der Schweiz werden sehr oft höher gewichtet, als die legitimen Interessen der Kinder“, sagt die Präsidentin der SBAA Ruth-Gaby Vermot. Das Recht des Kindes einen regelmässigen Kontakt zu beiden Elternteilen zu pflegen, wird mit der derzeitigen Umsetzung der Wegweisungspraxis im Asylrecht und des Familiennachzugs oft missachtet.
Die SBAA hat Fälle dokumentiert, bei welchen Familienväter aufgrund ihres negativen Asylentscheides ausgeschafft wurden, obwohl sie in der Schweiz in einer Beziehung leben und Kinder haben. „Die Möglichkeit eines tatsächlichen Besuchsrechts wird nur oberflächlich geprüft. Der Hinweis, dass ein regelmässiger Kontakt durch moderne Kommunikationsmittel stattfinden kann, genügt dem Anspruch der Kinderrechtskonvention nicht“, sagt Stefanie Kurt, Geschäftsleiterin der SBAA.
Auch die kurze Nachzugsfrist und die hohen Hürden beim Familiennachzug bereiten in der Praxis Probleme. Der Bericht zeigt Fälle auf, in welchen Geschwister durch einen Familiennachzug getrennt wurden oder ein sexueller Missbrauch eines Kindes nicht als wichtiger familiärer Grund anerkannt wurde. Bei all diesen Fällen wurde das Recht der Kinder auf ein Familienleben verletzt. Es ist unabdingbar, dass die Behörden bei Verdacht auf wichtige familiäre Gründe die Kinder anhören.
Das Nothilfesystem hat gravierende Auswirkungen 2011 waren rund 15% der Nothilfe beziehenden Personen jünger als 18 Jahre. Die in der Verfassung verankerte Nothilfe ist als Überbrückungshilfe gedacht und trifft Kinder besonders hart, denn eine angemessene Entwicklung und Förderung des Kindes ist mit durchschnittlich CHF 8.- pro Tag nicht möglich. Die Kinderrechtskonvention hält aber fest, dass ein Kind das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard hat. Eine grundsätzliche Überdenkung des Nothilfesystems ist angezeigt.
Eine vertiefte Diskussion über die Anwendung der Kinderrechte im Asyl- und Ausländergesetz ist im Interesse der Kinder zwingend.