Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA) ist vom Krieg in der Ukraine und vom damit verursachten menschlichen Leid zutiefst erschüttert und betroffen. Im ersten Teil dieses Beitrags ordnet sie den geplanten Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine in der Schweiz ein, in einem zweiten Teil Russlands Bruch mit dem Völkerrecht.
Geplante Einführung des Schutzstatus S
Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag bekannt gegeben, dass er für Schutzsuchende aus der Ukraine den Schutzstatus S aktivieren möchte (siehe Medienmitteilung SEM vom 4.3.22). Derzeit läuft die Konsultation mit Kantonen und Hilfswerken, definitiv entscheiden wird der Bundesrat voraussichtlich am Freitag, 11. März 2022.
Ukrainer:innen können visumsfrei in die Schweiz einreisen und sich während drei Monaten frei im Schengen-Raum bewegen. Mit dem Schutzstatus S soll ihnen auch nach dieser Zeit Schutz gewährt werden. Artikel 4 des Asylgesetzes besagt: «Die Schweiz kann Schutzbedürftigen für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, insbesondere während eines Krieges oder Bürgerkrieges sowie in Situationen allgemeiner Gewalt, vorübergehenden Schutz gewähren.»
Mit der Einführung des Status S soll das reguläre Asylsystem entlastet werden, denn die Schutzsuchenden müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Der Status S ist auf ein Jahr befristet und kann verlängert werden. Mit dem Status sind der Familiennachzug und der Schulbesuch für Kinder möglich. Verschiedene Punkte sind aber noch unklar, etwa bezüglich Arbeits- und Reisefreiheit. Zudem ist offen, ob alternativ auch ein Asylgesuch gestellt werden darf. Mit Blick auf individuell verfolgte Personen muss dies gewährleistet sein.
Die SBAA begrüsst, dass der Bund im Ukraine-Krieg rasch handelt und den Flüchtenden unbürokratisch Schutz gewähren will. Gleichzeitig betont sie die Bedeutung eines sofortigen, uneingeschränkten Zugangs zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. Die SBAA fordert zudem, dass die Schweiz allen Menschen, die aus der Ukraine in die Schweiz flüchten und nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, Schutz gewährt, auch denjenigen ohne ukrainischen Pass.
Verstoss gegen Grundprinzipien des Völkerrechts
Der Angriff von Russland verstösst gegen fundamentale Grundprinzipien des Völkerrechts. Das Völkerrecht ist in verschiedenen multilateralen Verträgen zwischen den Staaten verankert. Von zentraler Bedeutung ist die UNO-Charta, die von 193 Staaten unterzeichnet wurde, auch von Russland und der Ukraine. Wichtige Grundprinzipien des Völkerrechts sind das allgemeine Gewaltverbot, das Prinzip der territorialen Unversehrtheit sowie das Folterverbot. Gemäss Art. 2.4 der UNO-Charta müssen alle Staaten die territoriale Integrität anderer Staaten achten und dürfen keine Gewalt anwenden:
«Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.»
Nun, da in der Ukraine Krieg herrscht, gelten die Regeln des humanitären Völkerrechts. Dazu gehört auch, dass in bewaffneten Konflikten die Zivilbevölkerung geschützt werden muss. Die Angriffe von Russland auf die Ukraine und die Zivilbevölkerung erfüllen zudem den Tatbestand der Aggression gemäss dem Völkerstrafrecht.
Weitere Infos
Staatssekretariat für Migration (SEM):
- Hilfe für ukrainische Geflüchtete
- Mail-Adresse: ukraine@sem.admin.ch
- «Helpline Ukraine des SEM»: +41 (0)58 465 99 11 (10–12 und 14–16 Uhr)
Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH):