Migrant*innen dro­hen recht­li­che Fol­gen auf­grund von Corona

Bezie­hen Migrant*innen auf­grund der Coro­na-Kri­se unver­schul­det Sozi­al­hil­fe, dro­hen ihnen beson­de­re Nach­tei­le. Davon betrof­fen sind Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge sowie Per­so­nen aus dem EU/EFTA-Raum.

Bei Ent­schei­den über den Auf­ent­halts­sta­tus und zur Ein­bür­ge­rung spielt das Kri­te­ri­um der „Teil­nah­me am Wirt­schafts­le­ben“ eine ent­schei­den­de Rol­le. Der Bezug von Sozi­al­hil­fe kann zum Wider­ruf oder zur Rück­stu­fung von aus­län­der­recht­li­chen Bewil­li­gun­gen füh­ren. Vie­le betrof­fe­ne Per­so­nen trau­en sich des­halb trotz ihrer finan­zi­el­len Not­la­ge nicht, Sozi­al­hil­fe zu bean­tra­gen (sie­he Arti­kel in der «Work»-Zeitung der UNIA vom 30.04.2020, S. 4).

Die Schwei­zer Wirt­schaft ist auf die Arbeit von Migrant*innen ange­wie­sen. Vie­le von ihnen arbei­ten im Tief­lohn­sek­tor wie z.B. in der Gas­tro­no­mie und sind des­halb von der Coro­na-Pan­de­mie beson­ders betrof­fen. Nicht nur, weil vie­le von ihnen ihren Job ver­lo­ren haben, son­dern auch auf­grund der Unsi­cher­heit bezüg­lich ihres wei­te­ren Auf­ent­halts in der Schweiz. Das Staats­se­kre­ta­ri­at für Migra­ti­on (SEM) emp­fiehlt zwar den Kan­to­nen, die aus­ser­or­dent­li­chen Umstän­de zu berück­sich­ti­gen, den­noch liegt das Ermes­sen und somit das letz­te Wort oft bei den Kan­to­nen (sie­he Arti­kel im «Bund» vom 02.04.2020). Aus Sicht der SBAA reicht die­se Emp­feh­lung nicht aus. Denn es besteht die Gefahr, dass die Kan­to­ne die­se Emp­feh­lung unter­schied­lich umset­zen und somit die Rechts­gleich­heit nicht gewähr­leis­tet ist.

Am 23. April 2020 aner­kann­te auch die Staats­po­li­ti­sche Kom­mis­si­on des Natio­nal­rats (SPK‑N) in ihrer Sit­zung, dass betrof­fe­nen Per­so­nen aus einer pan­de­mie­be­ding­ten Arbeits­lo­sig­keit oder einem pan­de­mie­be­ding­ten Sozi­al­hil­fe­be­zug kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen dür­fen (sie­he Medi­en­mit­tei­lung vom 23.04.2020). Es gilt dies nun in der Pra­xis auf allen Ebe­nen sicher­zu­stel­len. Die SBAA unter­stützt des­halb die For­de­run­gen des Schwei­ze­ri­schen Städ­te­ver­ban­des sowie den öffent­li­chen Appell des Insti­tuts Neue Schweiz (INES) nach dem Erlass trans­pa­ren­ter Richt­li­ni­en und Ver­ord­nun­gen. Dies wür­de nicht nur zur Rechts­si­cher­heit bei­tra­gen, son­dern auch die Gefahr behörd­li­cher Will­kür ver­rin­gern. Es darf nicht sein, dass Migrant*innen auf­grund der Coro­na-Kri­se unver­schul­det Nach­tei­le erleiden.

Die Situa­ti­on hat sich für Migrant*innen aber nicht erst seit der Coro­na-Kri­se, son­dern bereits seit der Revi­si­on des Ausländer*innen- und Inte­gra­ti­ons­ge­set­zes (AIG) im Jahr 2019 ver­schärft. Natio­nal­rä­tin Sami­ra Mar­ti hat des­halb in der Som­mer­ses­si­on die par­la­men­ta­ri­sche Initia­ti­ve „Armut ist kein Ver­bre­chen“ (20.451) ein­ge­reicht. Dar­in for­dert sie, das AIG so zu ändern, dass nach einem Auf­ent­halt von über 10 Jah­ren in der Schweiz eine Weg­wei­sung allein auf­grund des Sozi­al­hil­fe­be­zugs nicht mehr mög­lich ist. Aus­ge­nom­men wer­den sol­len Per­so­nen, die ihre eige­ne Bedürf­tig­keit mut­wil­lig her­bei­ge­führt bzw. unver­än­dert gelas­sen haben (sie­he auch Arti­kel „Wie­so Aus­län­de­rin­nen trotz Armut auf Sozi­al­hil­fe ver­zich­ten“ im „Beob­ach­ter“ vom 6.7.2020). Was die Ver­schär­fun­gen des AIG für betrof­fe­ne Per­so­nen kon­kret bedeu­ten, hat die SBAA bereits im ver­gan­ge­nen Jahr erläu­tert (sie­he Arti­kel „Anfor­de­run­gen an Inte­gra­ti­on wei­ter ver­schärft“ vom 3.9.2019). Dass Per­so­nen, die schon seit über 10 oder 20 Jah­ren in der Schweiz leben, poten­ti­ell die Schweiz ver­las­sen müs­sen, ist aus Sicht der SBAA unhalt­bar und unver­hält­nis­mäs­sig. Sie unter­stützt des­halb die For­de­run­gen von Sami­ra Mar­ti und plä­diert dafür, die Inte­gra­ti­ons­kri­te­ri­en nicht unver­hält­nis­mäs­sig streng anzuwenden.