2012 wurde im Ausländergesetz eine längst überfällige Gesetzesänderung zum Schutz von gewaltbetroffenen Migrantinnen vorgenommen. Um diese besonders vulnerable Personengruppe besser zu schützen wurde die «häusliche Gewalt» explizit als wichtiger persönlicher Grund für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, in Art 50 Abs 2 AuG aufgeführt. Die Betroffenen erhalten so eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung auch wenn sie sich von ihrem Ehegatten trennen, von dem ihre Bewilligung abgeleitet wurde. Eine längst fällige Korrektur des Gesetzes, denn nun müssen Gewalt Betroffene nicht mehr entscheiden zwischen Ausharren beim gewalttätigen Ehemann und dem Verlust der Aufenthaltsbewilligung. Der Bundesrat skizziert in seiner Medienmitteilung vom 04.07.2018, eine positive Bilanz dieser Gesetzesänderung für die Betroffenen. Aber – wie weit wir von einem menschlichen und umfassenden Schutz für gewaltbetroffene Migrantinnen immer noch entfernt sind, wird klar, wenn man die behördliche Auslegung des Gewaltbegriffs und die damit verbundene „notwendige“ Intensität ansieht.
So bedeutet häusliche Gewalt nach Rechtsprechung «die systematische Misshandlung mit dem Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben» und sie muss derart intensiv sein, dass «die physische oder psychische Integrität der Opfer im Fall der Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft bzw. der Familiengemeinschaft schwer beeinträchtigt würde.» E contrario bedeutet das, dass Migrantinnen sich Gewalt bis zur schweren Beeinträchtigung ihrer physischen und psychischen Integrität, gefallen lassen müssen, wenn sie den Verlust ihrer Aufenthaltsbewilligung nicht riskieren wollen. Diese behördliche Ausübung des Ermessensspielraums ist menschenverachtend und lässt sich wohl kaum noch mit dem in Art 10 Abs 2 der Bundesverfassung, verankerten Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, in Einklang bringen.
Wie sich dies konkret auf das Leben von Betroffenen auswirkt, kann am Fall Svetlana und am Fall Ilzana nachvollzogen werden.