Ein Viertel der Menschen in der Schweiz – rund zwei Millionen Menschen – besitzt keinen Schweizer Pass (siehe Bundesamt für Statistik). Viele von ihnen sind hier geboren oder als Kinder in die Schweiz gekommen. Aufgrund der strengen Bürgerrechtsgesetzgebung und der restriktiven Einbürgerungspraxis der Behörden bleibt die Schweizer Staatsangehörigkeit aber vielen verwehrt. Ständerätin Lisa Mazzone und Ständerat Paul Rechsteiner hatten im März 2021 zwei Vorstösse eingereicht, um den Zugang zur Schweizer Staatsangehörigkeit für Personen zu erleichtern, die in der Schweiz geboren wurden oder in der zweiten Generation hier leben. Am 14. Dezember waren die Vorstösse auf der Tagesordnung des Ständerats.
Kein Schweizer Bürgerrecht bei Geburt: eine verpasste Chance
Paul Rechsteiner forderte ein Recht auf die Schweizer Staatsangehörigkeit für in der Schweiz geborene Personen (Motion 21.3111). Dies entspricht dem Prinzip «ius soli». Heute gilt in der Schweiz das Prinzip «ius sanguinis», d.h. die Erteilung des Bürgerrechts aufgrund familiärer Abstammung. Der Ständerat lehnte den Vorstoss nun mit 29:13 Stimmen klar ab. In der Debatte wurde von der gegnerischen Seite u.a. das Argument des «Geburtentourismus» vorgebracht. Dieses Argument kann man aus Sicht der SBAA nicht gelten lassen: Damit nur Personen das Schweizer Bürgerrecht erhalten, die auch in der Schweiz leben, könnte man festlegen, dass nur diejenigen Personen gestützt auf «ius soli» den Schweizer Pass bekommen, die den Wohnsitz in der Schweiz haben. Alternativ hätte man auch eine Version «ius soli light» einführen können, bei der z.B. ein in der Schweiz geborenes Kind die schweizerische Staatsangehörigkeit nur bekommt, wenn ein Elternteil einen legalen Aufenthaltsstatus hat. Verschiedene europäische Staaten kennen eine Mischform zwischen «ius soli» und «ius sanguinis»: Ein in Deutschland geborenes Kind erhält automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn die Eltern seit mindestens acht Jahren rechtmässig dort leben (Art. 4 Abs. 3 StAG). Wer in Österreich geboren ist, hat einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach einem Aufenthalt von mindestens sechs Jahren (Art. 11a Abs. 4 Ziff. 3 StbG). Mit der Ablehnung der Motion hat der Ständerat eine wichtige Chance für ein modernes Bürgerrecht verpasst.
Erleichterte Einbürgerung der 2. Generation: vertiefte Prüfung
Lisa Mazzone fordert in ihrer Motion die erleichterte Einbürgerung für Ausländer:innen der zweiten Generation, wie sie für Ausländer:innen der dritten Generation bereits existiert (Motion 21.3112). Der Ständerat hat nun entschieden, ihre Motion an die zuständige staatspolitische Kommission zu überweisen, um sie vertieft zu prüfen. Die SBAA begrüsst diesen Schritt. Kinder, die in der Schweiz geboren werden oder aufwachsen, haben hier ihren Lebensmittelpunkt und sind Teil der hiesigen Gesellschaft. Sie sollen ein Recht auf Partizipation und politische Mitbestimmung haben.
Wie die SBAA in ihrem Fachbericht «Einbürgerung – Der steinige Weg zum Schweizer Pass» aufzeigt, sind die Voraussetzungen, um überhaupt ein Einbürgerungsgesuch stellen zu können, sehr hoch. Die SBAA fordert deshalb, dass diese hohen Hürden – zumindest für die zweite Generation – abgebaut werden. Die Argumentation des Bundesrats, er wolle die Einbürgerungsverfahren für die zweite Ausländer:innen-Generation weiterhin den Kantonen und Gemeinden überlassen, stuft die SBAA als problematisch ein. Heute bestehen grosse Unterschiede in der Gesetzgebung und Praxis der Kantone und Gemeinden, was zu ungleicher Behandlung führt. Aus diesem Grund plädiert die SBAA für einheitliche Regelungen. Wäre der Bund für die erleichterte Einbürgerung der zweiten Generation zuständig, könnten die Verfahren einheitlicher, schneller und günstiger ausgestaltet werden.
3. Generation effektiv erleichtert einbürgern
Neben dem Ständerat debattierte auch die staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK‑N) Ende Januar 2022 über verschiedene Vorstösse zum Thema Einbürgerung (siehe Medienmitteilung der SPK‑N). Die Kommission beschloss eine parlamentarische Initiative, gemäss der die dritte Generation effektiv erleichtert eingebürgert werden soll (Pa. Iv. 22.404). Seit 2018 kann sich die dritte Generation zwar erleichtert einbürgern lassen, doch die Voraussetzungen sind zu hoch. So wurden 2019 und 2020 nur knapp 800 Personen der dritten Generation erleichtert eingebürgert, rund 25’000 Personen sind eigentlich von der Bestimmung betroffen. Die SBAA ist erfreut, dass der Vorstoss angenommen wurde. Sie bedauert aber, dass die restlichen Vorstösse abgelehnt wurden: So fanden die parlamentarischen Initiativen «Ius Soli. Es wird endlich Zeit!» von Stefania Prezioso Batou (Pa. Iv. 21.428) und «Schweizerin oder Schweizer ist, wer hier lebt» (Pa. Iv. 21.467) der SP keine Mehrheit. Die SBAA wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Einbürgerungsverfahren fairer, chancengerechter und ohne Diskriminierung ausgestaltet werden.