COVID-19: Sis­tie­rung der Asylverfahren

Deutsch­land hat die Asyl­an­hö­run­gen bis auf wei­te­res aus­ge­setzt, das SEM hin­ge­gen nur für eine Woche. Das reicht nicht!

Die ange­ord­ne­ten Schutz­mass­nah­men des Bun­des­rats und des Bun­des­amts für Gesund­heit (BAG) gel­ten für die gesam­te Bevöl­ke­rung. In der ver­gan­ge­nen Woche hat das Staats­se­kre­ta­ri­at für Migra­ti­on (SEM) die alt- und neu­recht­li­chen Asyl­ver­fah­ren wei­ter­ge­führt, obwohl dies bedeu­tet, dass bei der Anhö­rung min­des­tens fünf Per­so­nen gemein­sam meh­re­re Stun­den in einem Raum ver­wei­len: asyl­su­chen­de Per­son, Befrager*in, Dolmetscher*in, Protokollführer*in und Hilfs­werks­ver­tre­tung bzw. Rechts­ver­tre­tung. Bei den alt­recht­li­chen Ver­fah­ren kommt noch hin­zu, dass alle Akteur*innen für die Anhö­rung nach Bern rei­sen müssen.

Den For­de­run­gen von ver­schie­de­nen Orga­ni­sa­tio­nen ist das SEM bis­her nicht nach­ge­kom­men. So hat die Frei­platz­ak­ti­on Basel bereits am 14.03. ein Ent­scheid­mo­ra­to­ri­um ver­langt. Soli­da­ri­té sans Fron­tiè­res rich­te­te am 18.03. einen Appell an die Behör­den und ver­lang­te, dass die vom Bun­des­rat und BAG ver­füg­ten Schutz­mass­nah­men für alle gel­ten und ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Am 19.03. rie­fen auch Amnes­ty Inter­na­tio­nal Schweiz und am 20.03. die Schwei­ze­ri­sche Flücht­lings­hil­fe (SFH) zur Sis­tie­rung der Asyl­ver­fah­ren in der Schweiz auf. Die SBAA unter­stützt die­se For­de­run­gen vollumfänglich.

Asyl­an­hö­run­gen in Zei­ten von Corona? 

In einem Inter­view mit dem Blick vom 21.03.2020 hat Mario Gat­ti­ker, Staats­se­kre­tär für Migra­ti­on, bekannt gege­ben, dass die Asyl­ver­fah­ren für rund eine Woche aus­ge­setzt wer­den – um die Befra­gungs­räu­me mit Ple­xi­glas-Trenn­schei­ben auf­zu­rüs­ten. Sobald die­se Anpas­sun­gen abge­schlos­sen sei­en, neh­me das SEM die Anhö­run­gen wie­der auf. Die SBAA begrüsst, dass die Anhö­run­gen aus­ge­setzt wer­den. Sie kri­ti­siert jedoch scharf, dass die­se danach hin­ter Ple­xi­glas-Trenn­schei­ben fort­ge­führt wer­den sol­len. Ob so ein fai­res und kor­rek­tes Ver­fah­ren garan­tiert wer­den kann, ist höchst frag­lich. In der vom Bun­des­rat ein­ge­stuf­ten „aus­ser­or­dent­li­chen Lage“ haben Gesund­heit und Schutz der gesam­ten Bevöl­ke­rung höchs­te Prio­ri­tät. Asyl­an­hö­run­gen wei­ter­zu­füh­ren, gefähr­det die Gesund­heit von asyl­su­chen­den Per­so­nen und Mit­ar­bei­ten­den unnötig.

Deutsch­land hat die Asyl­an­hö­run­gen wegen der Coro­na-Pan­de­mie bereits aus­ge­setzt, Asyl­an­trä­ge wer­den ab sofort im Regel­fall schrift­lich ent­ge­gen­ge­nom­men. Wie das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) schreibt, wur­den die­se Mass­nah­men „zum Schutz aller Betei­lig­ten und zur Unter­bre­chung der Anste­ckungs­ket­te ergrif­fen“. Ange­sichts der Tat­sa­che, dass die vom Bun­des­rat und BAG ange­ord­ne­ten Mass­nah­men bis am 19. April gel­ten und auch Gerich­te Ver­hand­lun­gen ver­schie­ben und Fris­ten ver­län­gern (sie­he z.B. die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts vom 19.03.2020), ist es aus Sicht der SBAA nur logisch, dass auch das SEM sei­ne Asyl­ver­fah­ren bis zu die­sem Zeit­punkt sis­tiert – die Gesund­heit aller Betei­lig­ten muss Vor­rang haben.

Ein­ge­schränk­ter Rechts­schutz und pre­kä­re Situa­ti­on in Unterkünften

Auch der Rechts­schutz der Per­so­nen in asyl- und aus­län­der­recht­li­chen Ver­fah­ren ist zur­zeit ein­ge­schränkt: Auf­grund der Coro­na-Pan­de­mie haben vie­le Bera­tungs­stel­len geschlos­sen oder ihr Ange­bot redu­ziert; die SFH hat eine Über­sicht über die ange­pass­ten Öff­nungs­zei­ten der Rechts­be­ra­tungs­stel­len für asyl­su­chen­de Per­so­nen erstellt.

Die Situa­ti­on in ver­schie­de­nen Unter­künf­ten ist eben­falls pre­kär und es gibt ers­te Fäl­le von posi­ti­ven Coro­na-Fäl­len bei Mit­ar­bei­ten­den und Bewohner*innen. So kri­ti­sie­ren Mit­ar­bei­ten­de des Bas­ler Bun­des­asyl­zen­trums Bäss­ler­gut, dass sie unge­nü­gend geschützt sind (Radio SRF, Ren­dez-vous vom 20.03.2020). Die kri­ti­sche Situa­ti­on in den Bun­des­asyl­zen­tren wird auch im aktu­el­len News­let­ter der Platt­form ZiAB (Zivil­ge­sell­schaft in Asyl-Bun­des­zen­tren) the­ma­ti­siert. Auch für Men­schen in Not­un­ter­künf­ten bzw. Rück­kehr­zen­tren sind die Mass­nah­men des Bun­des kaum umzu­set­zen. Das Soli­netz Zürich hat sich des­halb in einem offe­nen Brief vom 18.03. an das kan­to­na­le Sozi­al­amt gewandt. Die SBAA appel­liert sowohl an die zustän­di­gen Behör­den als auch die Zen­trums­be­trei­ben­den, ihre kol­lek­ti­ve Ver­ant­wor­tung wahr­zu­neh­men und ihren Bei­trag zum Schutz der Gesund­heit der gesam­ten Bevöl­ke­rung zu leisten.