In ihrem zweiten gemeinsamen Fachbericht vom 20. Mai 2014 kommen die drei Beobachtungsstellen für Asyl- und Ausländerrecht zum bedauerlichen Schluss, dass die durch das Bundesamt für Migration festgelegten Priorisierungen zu erheblichen Unterschieden in der Behandlung von Asylgesuchen führen. Einerseits diejenigen, die a priori als aussichtslos betrachtet und teilweise in wenigen Tagen im Namen der Beschleunigung erledigt werden und andererseits jene, die von Menschen gestellt werden, die aus Ländern wie Afghanistan, Eritrea oder Syrien kommen und die mehrere Jahre warten, bis sie einen Entscheid erhalten.
Während der Wartejahre verwehrt der ungeklärte Aufenthaltsstatus den Betroffenen gerade die Stabilität und die Integrationsmassnahmen, die sie brauchten, um sich selbst zu finden und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Aufrechterhaltung des Status als Asylsuchende/r über lange Zeit verhindert den Zugang zu einer Arbeitsstelle, zu einer Wohnung oder zu einer Lehrstelle.
« Es ist beunruhigend zu sehen, dass Jugendliche, die alleine in die Schweiz kommen – wie die Eritreerin „Helen“, die im Moment der Einreichung des Asylgesuchs erst 14-jährig war – drei Jahre auf eine Antwort durch das BFM warten müssen », bemerkt Mariana Duarte, Geschäftsleiterin der Beobachtungsstelle Westschweiz und Autorin des Berichtes, der in Zusammenarbeit mit den Beobachtungsstellen in Bern und St. Gallen verfasst wurde.
Die Verschleppung der Verfahren kann auch dazu führen, dass die Entscheide gefällt werden, die fernab der Realität sind. „Kajan“ aus Sri Lanka wartete sechs Jahre bis er eine Antwort auf sein Asylgesuch erhielt, das er 2006 gestellt hatte. Der Entscheid war negativ. Doch kurz darauf wurde ein Moratorium für die Rückführungen nach Sri Lanka verhängt. Obwohl „Kajan“ integriert ist, hat er weder Asyl noch eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung erhalten. Gemäss seinem Anwalt Gabriel Püntener « ist die auferlegte Wartezeit bei „Kajan“ ein deutliches Beispiel für eine Rechtsverweigerung, denn eine schnelle Antwort bei seiner Ankunft hätte zu der Feststellung geführt, – der Konflikt in Sri Lanka, wurde erst 2009 beendet – dass eine Rückführung unzulässig ist».
Von einer ähnlichen Situation sahen sich die letzten Jahre die Syrer/innen betroffen. « Während die Behörden 2013 die Aufnahme von Syrer/innen mittels erleichterter Visabestimmungen und eines Kontingentes von 500 Personen ankündigten, warteten diejenigen die sich schon in der Schweiz befanden seit bald zwei Jahren auf eine Antwort auf ihre Asylgesuche », erklärt Ann-Seline Fankhauser, Geschäftsleiterin der Beobachtungsstelle Ostschweiz.
Gleichzeitig wurden beschleunigte Verfahren für Personen aus den Balkanländern, Georgien, Algerien, Marokko, Nigeria oder Tunesien eingeführt. Ein Asylverfahren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten scheint in Gang zu kommen.
Angesichts dieser Beobachtungen, will der Bericht der Beobachtungsstellen daran erinnern, dass der primäre Zweck der Asylpolitik weder darin besteht, negative Entscheide zu fällen noch Ausschaffungen durchzuführen, sondern denjenigen Personen Schutz zu gewähren, die ihn nötig haben.
Wie Aldo Brina, Vorstandsmitglied der Beobachtungsstelle Westschweiz und Informationsbeauftragter des Flüchtlingsbereichs beim CSP-Genf betont, «Asylsuchender zu sein ist kein Status an sich, es ist ein Dazwischen während dem alles unsicher ist. Es liegt im Interesse aller, dass die Personen, die voraussichtlich sowieso in der Schweiz bleiben werden, schnell einen Status erhalten ».