Eine neue Chan­ce für Ler­nen­de und Betriebe

Zugang zur Leh­re und Abschluss des drit­ten Jah­res des Enga­ge­ments der SBAA für einen chan­cen­ge­rech­ten Bildungszugang

Es steht gut um den Lehr­stel­len­markt in der Schweiz. So ver­mel­de­te das Staats­se­kre­ta­ri­at für Bil­dung, For­schung und Inno­va­ti­on (SBFI) Mit­te Sep­tem­ber 2023: «Mehr unter­zeich­ne­te Lehr­ver­trä­ge als im Vor­jahr». Wäh­rend rund 76’000 jun­ge Men­schen also auch die­ses Jahr eine Lehr­stel­le antre­ten, ste­hen gewis­se Schulabgänger:innen vor ver­schlos­se­nen Türen. Weil eine Leh­re als Erwerbs­tä­tig­keit gilt, ist es ver­bo­ten ohne Arbeits­be­wil­li­gung einen Lehr­ver­trag abzu­schlies­sen. So kön­nen z.B. jun­ge Sans-Papiers oder Jugend­li­che aus Fami­li­en deren Asyl­ge­such abge­lehnt wur­de, nicht in einem Betrieb aus­ge­bil­det werden.

Untaug­li­che aktu­el­le Lösung
Bereits vor zehn Jah­ren wur­de die­ses Pro­blem erkannt und eine Aus­nah­me­be­stim­mung für den Antritt einer Leh­re ein­ge­führt. Auf­grund eines par­la­men­ta­ri­schen Vor­stos­ses wur­de in Art. 30a VZAE die Mög­lich­keit ein­ge­führt, jun­gen Men­schen ohne Blei­be­recht für die Dau­er der Berufs­leh­re eine Auf­ent­halts­be­wil­li­gung zu ertei­len. Dafür müs­sen meh­re­re Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sein. So muss die Per­son zum Bei­spiel ihre Iden­ti­tät offen­le­gen, nicht straf­fäl­lig und gut inte­griert sein und min­des­tens fünf Jah­re unun­ter­bro­chen in der Schweiz die Schu­le besucht haben.
Die­se Rege­lung wur­de seit ihrer Ein­füh­rung jedoch ledig­lich 61-mal ange­wen­det. Die­se ver­schwin­den­den Zah­len zei­gen ein­drück­lich, dass die Vor­aus­set­zun­gen für den Zugang zu restrik­tiv aus­ge­stal­tet sind und ver­schie­de­ne Hür­den die wirk­sa­me Umset­zung in der Pra­xis ver­hin­dern. Das führ­te dazu, dass die Staats­po­li­ti­sche Kom­mis­si­on des Natio­nal­ra­tes mit einer Moti­on die Über­prü­fung der­sel­ben forderte.

Unzu­rei­chen­de geplan­te Erleichterungen

Ent­spre­chend dem Auf­trag des Par­la­ments, schick­te der Bun­des­rat einen Vor­schlag für Erleich­te­run­gen in die Ver­nehm­las­sung, den die SBAA – in Zusam­men­ar­beit mit «Bil­dung für alle – jetzt!» kri­tisch ana­ly­sier­te. Das Resul­tat die­ser Ana­ly­se ist in einer Ver­nehm­las­sungs­ant­wort zusammengefasst.

Es ist zu begrüs­sen, dass von jun­gen Sans-Papiers neu nur noch zwei Jah­re Schul­be­such gefor­dert wird. Es ist hin­ge­gen nicht nach­voll­zieh­bar und unhalt­bar, wes­halb nicht zeit­gleich mit der vor­lie­gen­den Ver­ord­nungs­än­de­rung eine Reduk­ti­on der Min­dest­auf­ent­halts­dau­er für jun­ge, ehe­ma­li­ge Asyl­su­chen­de in die Wege gelei­tet wird. Um alle Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen ohne Arbeits­be­wil­li­gung recht­lich gleich zu behan­deln, ist eine sol­che Anpas­sung zwin­gend notwendig.

Wei­ter müs­sen die Eltern und Geschwis­ter die­ser Ler­nen­den eben­falls erleich­tert eine Auf­ent­halts­be­rech­ti­gung erhal­ten. Wird die Pra­xis nicht auch für sie ange­passt, han­delt es sich wei­ter­hin um einen ver­wehr­ten Zugang zu Bil­dung, weil Jugend­li­che und jun­ge Erwach­se­ne nicht über ihre Fami­lie hin­weg einen Ent­scheid fäl­len wer­den, der aus­län­der­recht­li­che Kon­se­quen­zen zur Fol­ge hat. Schliess­lich muss auch die Frist zur Ein­rei­chung sol­cher Gesu­che und die Mög­lich­keit einer anony­mi­sier­ter Vor­prü­fung noch­mals ernst­haft über­dacht und dis­ku­tiert wer­den. Eine erwei­ter­te Frist von fünf Jah­ren zur Ein­rei­chung des Här­te­fall­ge­suchs wür­de den Arbeit­ge­ben­den die Ein­stel­lung von arbeits­wil­li­gen Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen ermög­li­chen – unab­hän­gig davon, wie lan­ge der Schul­ab­schluss zurück­liegt. Dies wäre ein wich­ti­ger Bei­trag gegen den aktu­ell in unzäh­li­gen Bran­chen herr­schen­den Fach- und Arbeits­kräf­te­man­gel. Die Pra­xis anony­mi­sier­ter Vor­prü­fung, wie sie bei­spiels­wei­se heu­te schon im Kan­ton Basel-Stadt ver­folgt wird, hat posi­ti­ve Effek­te auf die betrof­fe­nen Per­so­nen. Die Anony­mi­sie­rung ver­mit­telt Sicher­heit und führt zu weni­ger Ängs­ten für die Ler­nen­den und ihre Familienangehörigen.

Enga­ge­ment der SBAA
Bei aller Kri­tik darf nicht in Ver­ges­sen­heit gera­ten, dass auch klei­ne Schrit­te einen gros­sen Unter­schied für den Bil­dungs­weg von Ein­zel­nen machen. Wenn in den nächs­ten zehn Jah­ren mehr Jugend­li­che und jun­ge Erwach­se­ne am Ende der Sekun­dar­schu­le oder eines Brü­cken­an­ge­bots ihre Unter­schrift unter einen Lehr­ver­trag set­zen dür­fen, ist das ein gros­ser Erfolg. Genau dar­um ging es bereits im Som­mer 2021, als die SBAA ihren Fach­be­richt «Zugang zu Bil­dung unab­hän­gig vom Auf­ent­halts­recht» ver­öf­fent­lich­te. Dar­in emp­fahl sie unter ande­rem genau das:

«6. Zehn Jah­re nach deren Ein­füh­rung soll die Här­te­fall­re­ge­lung zur beruf­li­chen Grund­bil­dung für Jugend­li­che ohne Blei­be­recht ange­passt werden.
Vor rund zehn Jah­ren wur­de für jun­ge Men­schen ohne Auf­ent­halts­ti­tel mit Art. 30a VZAE eine Regel geschaf­fen, mit der die­se Per­so­nen unter gewis­sen Vor­aus­set­zun­gen ein Blei­be­recht für eine beruf­li­che Grund­bil­dung erhal­ten. Die­se Regel hat die Erwar­tun­gen nicht erfüllt.

Die SBAA emp­fiehlt, die Kri­te­ri­en in Art. 30a VZAE prak­ti­ka­bler zu gestal­ten. Es soll bereits nach zwei Jah­ren Schul­be­such neu ein Anspruch auf ein befris­te­tes Auf­ent­halts­recht bestehen. Neben der beruf­li­chen Grund­bil­dung soll dies expli­zit auch für Aus­bil­dun­gen ohne Erwerbs­tä­tig­keit mög­lich sein.»

Ende Sep­tem­ber 2023 schloss die SBAA das drit­te Jahr ihres Enga­ge­ments für einen chan­cen­ge­rech­ten Bil­dungs­zu­gang ab. Damit ver­liess auch der Pro­jekt­lei­ter Tobi­as Hei­ni­ger unse­re Orga­ni­sa­ti­on. Wir freu­en uns, dass wir mit unse­rer Arbeit einen Bei­trag zu einem Sys­tem­wan­del leis­ten konn­ten, hin zu einem Recht auf Bil­dung für alle.

Die SBAA ist seit Anfang 2021 Mit­glied des Ver­eins «Bil­dung für alle – jetzt!» und wirkt aktiv in des­sen Komi­tee mit.