Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat diese Woche Österreich vorübergehend verboten, einen abgewiesenen Asylsuchenden nach Afghanistan abzuschieben. Der EGMR bezog sich auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Seit anfangs Juli akzeptieren die afghanischen Behörden keine zwangsweisen Rückführungen nach Afghanistan mehr. Finnland, Norwegen und Schweden haben ihre Rückführungen nach Afghanistan gestoppt; Deutschland, Österreich und die Schweiz bisher hingegen nicht. Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA) teilt die Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), dass die aktuelle Praxis der Schweiz mehr denn je unhaltbar ist (siehe Beitrag der SFH vom 4.8.2021).
Gemäss dem Staatssekretariat für Migration (SEM) wurde seit 2019 niemand unfreiwillig nach Afghanistan zurückgeschickt. Das SEM schliesst aber nicht aus, dass in den kommenden Monaten vereinzelte prioritäre Rückführungen stattfinden (siehe Radio SRF 4, 4x4 Podcast vom 5.8.2021 und SRF Tagesschau vom 20.6.2021). Die SBAA kritisiert, dass die Schweiz an ihrer Praxis festhält. Die Schweiz stuft die drei Städte Kabul, Herat und Mazar-i-Sharif als «sicher» ein. Aus Sicht der SBAA muss jedoch im ganzen Land von einer hohen Gefahr an Leib und Leben ausgegangen werden. Denn die Sicherheitslage hat sich in den letzten Wochen mit dem Abzug der Nato-Truppen massiv verschlechtert. Die SBAA erachtet deshalb den Vollzug von Wegweisungen nach Afghanistan für niemanden als zumutbar oder zulässig.