Unge­nü­gen­der Schutz auch in kan­to­na­len Asylunterkünften

Auf­grund der höhe­ren Bele­gungs­quo­te ist „Social Distancing“ in den kan­to­na­len Asyl­un­ter­künf­ten noch schwie­ri­ger als in den Bun­des­asyl­zen­tren. Auch der Rechts­schutz ist in den Kan­to­nen stark eingeschränkt.

Bis­lang stand im Zusam­men­hang mit der Coro­na-Kri­se und dem Schutz von Asyl­su­chen­den ins­be­son­de­re die Situa­ti­on in den Bun­des­asyl­zen­tren im Fokus und den Medi­en (vgl. z.B. Bei­trag im Ren­dez-vous vom 20.03.2020 oder Arti­kel der NZZ vom 26.03.2020). Doch auch die Kan­to­ne ste­hen vor gros­sen Her­aus­for­de­run­gen. Nach wie vor sind bei­spiels­wei­se die Platz­ver­hält­nis­se in den kan­to­na­len Unter­künf­ten eng. Mit einer gesamt­schwei­ze­ri­schen Aus­las­tungs­quo­te von rund 70% in den kan­to­na­len Unter­künf­ten scheint die Pro­ble­ma­tik noch drin­gen­der als in den Bun­des­asyl­zen­tren, wel­che zur­zeit ledig­lich zu 50% aus­ge­las­tet sind (vgl. Medi­en­kon­fe­renz vom Bun­des­rat vom 01.04.2020).

For­de­run­gen nach mehr Wohn­raum im Asylbereich

Am Bei­spiel der Asyl­un­ter­kunft in Suhr (AG) kann illus­triert wer­den, wie zur­zeit die Situa­ti­on auch in ande­ren Unter­künf­ten aus­sieht: Rund 70 Bewohner*innen leben auf engem Raum, sowohl Per­so­nen im Asyl­ver­fah­ren als auch vor­läu­fig Auf­ge­nom­me­ne. In der Unter­kunft woh­nen unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge, Fami­li­en sowie Per­so­nen, die einer Risi­ko­grup­pe ange­hö­ren: Senior*innen und Per­so­nen mit Vor­er­kran­kun­gen, u.a. Per­so­nen mit Krebs oder Nie­ren­er­kran­kun­gen. Inzwi­schen wur­de der ers­te Bewoh­ner posi­tiv auf das Coro­na-Virus getes­tet. Die infi­zier­te Per­son wird der­zeit im Spi­tal behan­delt (vgl. Arti­kel der Aar­gau­er Zei­tung vom 31.03.2020). Die Angst vor einer Anste­ckung unter den Bewohner*innen ist gross. Unbe­grün­det ist die­se Angst nicht, denn sie müs­sen sich Küche, Auf­ent­halts­raum und die sani­tä­ren Anla­gen tei­len. Bes­ten­falls bekom­men beson­ders gefähr­de­te Per­so­nen ein Ein­zel­zim­mer zuge­teilt. Die Ein­hal­tung der Social-Distancing-Regeln sind somit unmög­lich (vgl. Arti­kel Aar­gau­er Zei­tung vom 26.03.2020). Feh­len­des Inter­net in vie­len Unter­künf­ten ver­un­mög­licht zusätz­lich Kon­takt zur Aus­sen­welt und ver­stärkt die Iso­la­ti­on. Die SBAA erach­tet die­se Situa­ti­on als äus­serst problematisch.

Bereits am 23.03.2020 for­der­te der Ver­ein Netz­werk Asyl Aar­gau in einem offe­nen Brief die aar­gaui­sche Regie­rung unter ande­rem dazu auf, mehr Wohn­raum für den Asyl­be­reich zur Ver­fü­gung zu stel­len. Wie die Aar­gau­er Zei­tung schreibt, erklär­te der aar­gaui­sche Regie­rungs­rat Jean-Pierre Gal­la­ti in sei­nem Ant­wort­schrei­ben, dass aktu­ell Infor­ma­ti­ons­mass­nah­men Prio­ri­tät haben. Die SBAA unter­stützt die For­de­run­gen des Netz­werk Asyl Aar­gau, denn der Schutz der Gesund­heit aller in der Schweiz leben­den Per­so­nen muss sicher­ge­stellt werden.

Emp­feh­lun­gen des BAG gel­ten für alle

Am Bei­spiel aus dem Aar­gau wird jedoch ersicht­lich, dass die kan­to­na­len Behör­den die Emp­feh­lun­gen des Bun­des­rats und des Bun­des­amts für Gesund­heit (BAG) zum Schutz der Bevöl­ke­rung nicht genü­gend umset­zen. Dies zei­gen auch Repor­ta­gen zur Situa­ti­on in den Not­un­ter­künf­ten im Kan­ton Zürich (SRF, Schweiz Aktu­ell vom 27.03.2020) und wei­te­ren Asyl­un­ter­künf­ten (SRF, Rund­schau vom 01.04.2020). Die SBAA begrüsst, dass die Kon­fe­renz der Kan­to­na­len Jus­tiz- und Poli­zei­di­rek­to­rIn­nen (KKJPD) das Pro­blem inzwi­schen erkannt hat. An der Pres­se­kon­fe­renz des Bun­des­ra­tes vom 01.04.2020 erklär­te Baschi Dürr, Vize-Prä­si­dent der KKJPD, dass die Kan­to­ne dar­um bemüht sei­en, wei­te­re Kapa­zi­tä­ten zu schaf­fen. Aus Sicht der SBAA ist dies unab­ding­bar und sie for­dert, dass die Kan­to­ne nun rasch han­deln. Die Emp­feh­lun­gen des BAG müs­sen auch in den kan­to­na­len Unter­brin­gungs­struk­tu­ren kon­se­quent und pro­fes­sio­nell umge­setzt wer­den. Ist dies in den Asyl­un­ter­künf­ten nicht mög­lich, müs­sen ande­re Lösun­gen gefun­den und den Bewohner*innen mehr Wohn­raum zur Ver­fü­gung gestellt werden.

Auf­grund der Situa­ti­on in den Bun­des­asyl­zen­tren hat die Platt­form ZiAB «Zivil­ge­sell­schaft in Asyl­bun­des­zen­tren» einen offe­nen Brief an den Bun­des­rat geschickt. Sie for­dert dar­in eine kon­se­quen­te Umset­zung der Emp­feh­lun­gen des BAG im Asyl­be­reich. Die SBAA unter­stützt die­se For­de­run­gen voll­um­fäng­lich und for­dert, die­se auch auf kan­to­na­ler Ebe­ne umzusetzen.

Ein wei­te­res Pro­blem stellt die Schlies­sung bzw. stark ein­ge­schränk­te Dienst­leis­tung von Rechts­be­ra­tungs­stel­len in den Kan­to­nen dar. Die­se leis­ten einen wich­ti­gen Bei­trag zu einem funk­tio­nie­ren­den Rechts­schutz und sind auch im Asyl­ge­setz vor­ge­se­hen (Art. 102l Abs. 1 AsylG). Die betrof­fe­nen Per­so­nen kön­nen sich aber aktu­ell nicht oder nur unter erschwer­ten Bedin­gun­gen an eine Rechts­be­ra­tung wen­den, wenn sie Fra­gen zum Asyl­ver­fah­ren, Fami­li­en­nach­zug oder All­tag haben.