Letztes Jahr hat der Grosse Rat beschlossen, abgewiesene Asylsuchende in sogenannten Rückkehrzentren in Gampelen, Aarwangen und Biel unterzubringen. Der Kanton Bern verfolgt damit das Ziel, dass Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid rasch ausreisen (siehe Detailkonzeption Neustrukturierung Asyl- und Flüchtlingsbereich im Kanton Bern). Dies, obwohl sie dazu häufig nicht in der Lage sind. Diese Massnahmen verschärften die ohnehin bereits bedenkliche Unterbringungssituation von Personen mit einem negativen Asylentscheid.
Vorübergehender Stopp aufgrund von Covid-19
Aufgrund der Corona-Krise hat die Sicherheitsdirektion des Kantons Berns den Transfer von abgewiesenen Asylsuchenden vom April auf den 1. Juli 2020 verschoben (siehe Medienmitteilung vom 25.03.2020). Die SBAA begrüsst zwar den vorübergehenden Stopp, vertritt jedoch die Auffassung, dass dieser Beschluss zu kurz greift. Denn niemand weiss, wie lange die Corona-Pandemie noch andauern wird. Die Verunsicherung bei den betroffenen Personen ist gross. Die SBAA unterstützt deshalb die Petition des Vereins «Wohnraum für Flüchtlinge», welche folgende Forderungen an den Regierungsrat des Kantons Bern stellt:
- den Transfer der weggewiesenen Flüchtlinge in die kantonalen Rückkehrzentren mindestens bis zum 31. Dezember 2020 auszusetzen und danach, je nach Verlauf der COVID-19 Pandemie, neu zu bewerten;
- den weggewiesenen Flüchtlingen auch dann die Nothilfe von 8 Franken/Tag zu gewähren, wenn sie statt in Rückkehrzentren von Privatpersonen beherbergt werden.
Die zweite Forderung wird auch von einer überparteilichen Gruppe von Parlamentarier*innen unterstützt. Die SBAA begrüsst den diesbezüglich am 12.03.2020 eingereichten parlamentarischen Vorstoss.
Auswirkungen der Neustrukturierung auf die Unterbringung der betroffenen Personen
Die Situation von Personen mit einem negativen Asylentscheid war bereits vor der Corona-Krise prekär. Durch die neuen Massnahmen werden Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung und ihrem sozialen Netzwerk gerissen. Abgewiesene Asylsuchende dürfen nicht arbeiten und haben lediglich Anspruch auf Nothilfe (8 Fr. pro Tag). Aufgrund der knapp bemessenen Nothilfe werden die Bewegungsfreiheit und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben somit stark eingeschränkt. Neu werden die Rückkehrzentren von der Firma ORS geleitet und nicht mehr von den Hilfswerken wie zuvor. Auch das Solidaritätsnetz Bern hat eine kritische Haltung gegenüber den Rückkehrzentren.
Die Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs des Kantons Bern betrifft jedoch nicht nur abgewiesene Asylsuchende, sondern auch Personen im Asylverfahren, vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge. Neu sollen sie zuerst in einer Kollektivunterkunft und danach in einer privaten Wohnung untergebracht werden. Asylsuchende Personen im Verfahren und vorläufig Aufgenommene dürfen jedoch erst in eine Wohnung ziehen, wenn sie mindestens das Sprachniveau A1 erreicht und eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz haben. Die SBAA kritisiert diese Neuerungen scharf, denn die Integration der betroffenen Personen wird dadurch unnötig erschwert.