Ende Juni 2023 fand die dritte Netzwerktagung des Vereins «Bildung für alle – jetzt!» statt. Mit dem Titel «Wirklich vorwärts mit Bildung für alle!» war die Richtung vorgegeben. Die Allianz aus rund 30 nationalen und regionalen NGO, die sich für einen besseren Zugang zur Bildung von Geflüchteten einsetzt, ruht sich nicht auf bisherigen Erfolgen aus.
Lehrpersonen: Vorhandene Kompetenzen wahrnehmen und fördern
Im Vorfeld des angeregten Austauschs zwischen Geflüchteten, Engagierten und Fachpersonen an der Netzwerktagung, versandte die Allianz einen offenen Brief. Das Potenzial von geflüchteten und zugewanderten Personen soll wahrgenommen, gefördert und genutzt werden, um dem Mangel an Lehrpersonen zu begegnen. An der Tagung selbst führte Elke-Nicole Kappus von der Pädagogischen Hochschule (PH) Luzern aus, was die PHs und die Zivilgesellschaft unternehmen können, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Unter anderem sollten spezifische Angebote für diese Zielgruppe konzipiert werden.
Die PH Bern geht mit gutem Beispiel voraus: In diesen Tagen werden Anmeldungen für einen neuen «CAS für Lehrpersonen mit ausländischem Lehrdiplom» entgegengenommen. Die Zahl von 120 Interessierten zeigt den grossen Bedarf seitens geflüchteter und zugewanderter Lehrpersonen. Eine Fülle von Zeitungsartikeln (z.B. hier im Bund) zeugt davon, dass auch die Schulen dringend auf Lösungen angewiesen sind.
(Zu) Kleine Schritte in der Berufsbildung
An der Netzwerktagung von «Bildung für alle – jetzt!» wurden auch die fehlenden Perspektiven und Bildungschancen von abgewiesenen Asylsuchenden diskutiert. Und auch in diesem Bereich tut sich was: Entsprechend dem Auftrag des Parlaments, schickte der Bundesrat, ebenfalls Ende Juni 2023, eine Vorlage zur Vereinfachung des Zugangs zur beruflichen Grundbildung für junge Menschen ohne Bleiberecht in die Vernehmlassung. Bereits heute können abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers, die in der Schweiz zur Schule gegangen sind, unter strengen Voraussetzungen eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, um eine Lehre zu absolvieren. Diese Bedingungen sollen nun gelockert werden. Leider bleibt der Vorschlag des Bundesrats hinter den Erwartungen zurück.
Zwar wurde eine der Kernforderungen erfüllt: Statt wie bisher fünf Jahre, sind bloss noch zwei Jahre Schulbesuch nötig (z.B. zweite und dritte Sekundarschule oder zwei Jahre schulische Brückenangebote). Zudem soll eine Lehrstelle neu auch zwei Jahre nach Abschluss der Schule angetreten werden (bisher zwölf Monate), womit mehr Zeit für die Lehrstellensuche besteht.
Die von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates ebenfalls vorgeschlagene Reduktion der erforderlichen Aufenthaltsdauer in der Schweiz von fünf auf zwei Jahre, wurde hingegen nicht aufgenommen. Dabei erstaunt die Argumentation: Eine solche Reduktion würde «zu einer Ungleichbehandlung gegenüber anderen Ausländerinnen und Ausländern führen, die sich nicht rechtswidrig in der Schweiz aufhalten oder die kein Asylverfahren durchlaufen haben, und die ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für eine berufliche Grundbildung oder eine tertiäre Ausbildung stellen möchten.» Diese hätten deutlich strengere Voraussetzungen zu erfüllen.
Dieser drohenden «Ungleichbehandlung» könnte auch anders begegnet werden: Der Bundesrat könnte den Auftrag des Parlaments zum Anlass nehmen, diese Härtefallregelung zugunsten eines umfassenden Zugangs aller Geflüchteten und Zugewanderten, zu allen Formen von Bildung zu modernisieren. Vorläufig Aufgenommene in Ausbildung hätten dann die Möglichkeit, ihren Aufenthalt bereits nach zwei Jahren in der Schweiz festigen und der mannigfaltigen Prekarität dieses rechtlichen Status entkommen. Maturand:innen sans papiers könnten auch für ein Hochschulstudium eine Aufenthaltsbewilligung erhalten und sich, befreit von der Angst vor migrationsrechtlichen Konsequenzen, aufs Lernen und Leben konzentrieren. So würde dem volkswirtschaftlichen Bedarf an Arbeitskraft und dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach sozialer Teilhabe aller Einwohner:innen der Schweiz Rechnung getragen.
Die SBAA und «Bildung für alle – jetzt!» werden sich im Rahmen der Vernehmlassung in diesem Sinne äussern und sich weiter für eine chancengerechte Bildungs- und Zulassungspolitik einsetzen.
Die SBAA ist seit Anfang 2021 Mitglied des Vereins Bildung für alle – jetzt! und wirkt aktiv in dessen Komitee mit.