Migrierte und geflüchtete Kinder und Jugendliche brauchen besonderen Schutz. Die UNO-Kinderrechtskonvention (KRK) verpflichtet die Staaten in Art. 3 dazu, das Kindeswohl in allen Entscheiden vorrangig zu berücksichtigen. Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA) stellt in ihrem neuen Fachbericht «Vernachlässigtes Kindeswohl – Minderjährige in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren» fest, dass in der Schweiz die Rechte von geflüchteten und migrierten Minderjährigen immer wieder verletzt werden. Anhand von juristisch aufgearbeiteten Fällen zeigt die SBAA auf, dass die Behörden das Kindeswohl in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren nicht systematisch berücksichtigen. Die Praxis der Schweizer Behörden ist im Gegensatz zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) restriktiver.
Recht auf Familienleben stärker schützen
Die SBAA fordert, dass das Kindeswohl systematisch ermittelt und berücksichtigt wird. Die Verfahren müssen kindgerecht gestaltet sein. Den Kindern müssen – nach Alter und Reife – Gehör, Mitwirkung und Vertretung gewährleistet werden. Auch das Recht auf Familienleben muss stärker geschützt werden. Die Schweizer Behörden müssten von allen ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, damit Minderjährige aus dem Ausland einfacher zu ihren Eltern einreisen können. Zudem ist es dringend notwendig, dass die Schweiz das Recht auf umgekehrten Familiennachzug auf Gesetzesstufe einführt.
Entwurzelung als Folge einer Wegweisung
Werden ausländische Eltern mit ihren Kindern aus der Schweiz weggewiesen, entwurzelt dies die Kinder oft. Nationalrätin Samira Marti fordert deshalb: «Kinder und Jugendliche, welche die Mehrheit ihrer Lebensjahre hier verbracht haben, dürfen nicht unverschuldet aus der Schweiz weggewiesen werden. Sie brauchen einen speziellen Schutz vor Ausweisung.»
Im Asylverfahren prüfen die Behörden die Situation im Heimatland der betroffenen Kinder und Jugendlichen teilweise ungenügend, obwohl diese gegen die Wegweisung sprechen kann. Nach Ansicht der SBAA muss die Prüfung in jedem Fall sorgfältig und vollständig erfolgen. Kinder und Jugendliche sollen überdies nicht mit ihren Eltern in der Nothilfe leben müssen. Die Behörden sind aufgefordert, im Interesse der Minderjährigen dafür zu sorgen, dass diese nicht den (illegalen) Aufenthaltsstatus ihrer Eltern übernehmen müssen.
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Der Fachbericht kann auch als Broschüre bestellt werden. Kosten: CHF 5.- plus Porto. Senden Sie eine E‑Mail an info@beobachtungsstelle.ch.
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